Behauptung: Schon ein Gewitter kann das Aus bedeuten.
Die EWS behaupten (Originalgrund)
Ein Stromausfall im Atomkraftwerk, der sogenannte Notstromfall, gehört zu den gefährlichsten Situationen in einem Reaktor. Ohne intakte Notstromversorgung fällt dann die Kühlung aus, es droht die Kernschmelze. Als Auslöser genügt oft schon ein simples Unwetter. Achtmal zwischen 1977 und 2004 führten Blitz oder Sturm in einem westdeutschen Atomkraftwerk zum Ausfall wichtiger Instrumente, zum gefürchteten Notstromfall oder gar, wie am 13. Januar 1977 im Atomkraftwerk Gundremmingen A, zum Totalschaden. Gefahren drohen auch durch Überschwemmungen: Im französischen Atomkraftwerk Blayais an der Atlantikküste fallen deswegen regelmäßig Teile der Kühlsysteme aus.
„Weiterführende Informationen” der EWS
- http://www.ngo-online.de/ganze_nachricht.php?Nr=14155
IPPNW-Zusammenstellung von Atomkraftwerks-Störfällen in Deutschland aufgrund von Unwettern - http://www.ausgestrahlt.de/hintergrundinfos/sicherheit.html
.ausgestrahlt-Hintergrundinformationen zur Sicherheit von Atomkraftwerken
Richtig ist …
Auslöser des Unglücks in Gundremmingen A 1977 war kein Unwetter am Reaktor, sondern ein Ausfall der externen Hochspannungsleitungen, wodurch der Strom nicht mehr abtransportiert werden konnte und eine Drosselung der Leistung notwendig wurde. Hier kam es zu Fehlschaltungen, die in einer kontrollierten Flutung des Reaktorgebäudes mit Primärkühlwasser endeten. Zu der Schadensbeseitigung, die überschaubar gewesen wäre (das Wasser wurde abgepumpt, Dekontamination wäre denkbar gewesen), kamen durch Behördenauflagen noch weitere 180 Millionen DM an Kosten dazu. Da zwei weitere Reaktorblöcke bereits im Bau waren, hat man Block A stillgelegt.
Diesen 35 Jahre zurückliegenden Vorfall am ersten deutschen Leistungsreaktor als repräsentativ darzustellen ist so, als zöge man wegen Haarrissen an einer De Havilland Comet die Sicherheit moderner Linienmaschinen in Zweifel. In allen Fällen zeigt sich die Wirkung redundanter Sicherheitssysteme. So in Blayais, wo trotz hochwassergefluteten Kühlsystems und gewittergeschädigter Hochspannungsleitungen die Schnellabschaltung samt Notkühlung funktionierten – wie bei der Auslegung geplant.
Wer jeden Instrumentenausfall als „kurz vor dem Super-GAU” darstellt weiss es offenbar besser als internationale Fachgremien, Einrichtungen zur Reaktorsicherheitsforschung mit jahrzehntelanger Erfahrung und weltweit vernetzte Atomaufsichtsbehörden. Die ordnen fast allen derartigen Vorfällen nämlich nur geringe oder keine Relevanz zu.
Unsere Quellen
- Abläufe in Gundremmingen A beim Arbeitsunfall 1977 in einem Webforum, 2007
- Beschreibung des Kernkraftwerks Gundremmingen laut Betreiber
- A Gorbatchev, JM Mattéi, V Rebour, E Vial. Report on flooding of Le Blayais power plant on 27 december 1999. Institute for Protection and Nuclear Safety (IPSN). Ausführliche Dokumentation des Flutereignisses beim Kernkraftwerk Blayais, Frankreich, 1999. Die Gegenmaßnahmen liefen so, wie in der Auslegung vorgesehen, und redundante Kühlsysteme liefen an. Die Auslegungen gegen die Flut selbst wurden überdacht und erhöht.
Formulierungsfehler: „… Atomaufsichtsbehörden. Die ordnen fast allen derartigen Vorfällen nämlich nur geringe oder keine Relevanz zu.“ Besser vermutlich: „Sie messen derartigen Fällen die gebotene Relevanz bei.“ Wie woanders schon beschrieben, sind Ausfälle nicht vermeidbar zu wirtschaftlichen Kosten. Da sie aber in der Regel nicht direkt zu Kernschadenszuständen (noch weniger zu GAUs) führen, und bestenfalls im Fall eines Störfalles die Wahrscheinlichkeit für Kernschadenszustände geringfügig erhöhen, sind andere Schadenspfade einfach relevanter.