#106: Rasant wachsende Risse

Behauptung: Wichtige Rohre in Atomkraftwerken bekommen Risse, ohne dass es jemand merkt.

Die EWS behaupten (Originalgrund)

Für das AKW Würgassen bedeuteten sie das Aus, beim Reaktor in Stade beschleunigten sie das Ende, die Meiler in Krümmel und Brunsbüttel standen wegen ihnen viele Jahre still: Die Rede ist von Rissen in Rohren, Behältern, Schweißnähten und Armaturen. Den verschiedensten Stahlsorten bescheinigten Experten in den vergangenen Jahrzehnten bereits Rissfestigkeit, stets erwiesen sich diese Prognosen als falsch. Richtig ist: Selbst kleine Risse können urplötzlich rasant wachsen. Es drohen Rohrbrüche und Lecks – beste Voraussetzung für eine Kernschmelze.

Besonders beunruhigend: Die allermeisten Risse wurden zufällig entdeckt – etwa wenn, wie in Krümmel, der Reaktor sowieso längere Zeit stillstand. Sonst ist nämlich keine Zeit für umfangreichere Prüfungen.

„Weiterführende Informationen” der EWS

Richtig ist …

Das Studium von Rissen, Schweißnähten und Materialermüdung gehört zu den ältesten Disziplinen der Materialforschung und stellt sozusagen die Mutter aller Sicherheitsforschung dar. Reaktordruckgefäße und Kühlleitungen werden nach genauen Zeitplänen und nach dem Stand der Technik mithilfe hochsensitiver Verfahren, von Ultraschall über Röntgen und Gamma bis zur Neutronenanalsyse geprüft. So schreiben es die Regeln der Atomaufsicht und die KTA vor. Von „zufälligen Entdeckungen” kann daher überhaupt keine Rede sein.

Dieser ganze Aufwand wäre sinnlos, zöge man nicht bei der Bewertung von Rissen und Störstellen entsprechende Konsequenzen. Werden bei notwendigen Ausbesserungen die Kosten zu hoch, entscheidet sich der Betreiber gerade bei älteren Anlagen dann gerne mal für eine Stilllegung. Das ist das normale Ende von Industrieanlagen.

Die Verbreitung von Binsenweisheiten, dass „kleine Risse urplötzlich rasant wachsen”, dienen deshalb nur dem Zweck, Schrecken zu verbreiten. Auch, dass dies zu einer Kernschmelze führen kann, ist zwar nicht falsch, aber ohne Angabe von Wahrscheinlichkeiten ebenso belanglos. Selbst schlimmste Rohrbrüche und größte Lecks, wie sie noch nie während eines Reaktorbetriebs auftraten, führen noch lange nicht zu einer Kernschmelze, wie eine 1989 veröffentlichte Studie der Gesellschaft für Reaktorsicherheit gezeigt hat.

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