Behauptung: Atomkraftwerke machen nicht nur Kinder krank.
Die EWS behaupten (Originalgrund)
Je näher ein Kind an einem Atomkraftwerk wohnt, desto größer ist sein Risiko, an Krebs zu erkranken. Im 5-Kilometer-Umkreis um deutsche Atomkraftwerke bekommen Kinder unter fünf Jahren 60 Prozent häufiger Krebs als im bundesweiten Durchschnitt. Die Leukämie-Rate ist sogar mehr als doppelt so hoch (+ 120 %). Leukämie (Blutkrebs) wird besonders leicht durch radioaktive Strahlung ausgelöst.
Daten aus den USA legen nahe, dass auch Erwachsene rings um Atomanlagen häufiger an Krebs erkranken.
„Weiterführende Informationen” der EWS
- http://ausgestrahlt.de/fileadmin/user_upload/Broschueren/atomkraftwerk…pdf
Broschüre von den Ärzten gegen Atomkrieg (IPPNW) und .ausgestrahlt mit Fragen und Antworten zum Krebsrisiko rings um Atomanlagen - http://www.bfs.de/de/kerntechnik/kinderkrebs
Kinderkrebsstudie (KiKK-Studie) im Volltext sowie verschiedene Zusammenfassungen, Bewertungen und Stellungnahmen - http://www.ippnw-ulm.de/text__krebs-akw.htm
Hintergrundinformationen der Ulmer Ärzteinitiative / Ärzte gegen Atomkrieg (IPPNW) zur Vorgeschichte und Diskussion um die KiKK-Studie
„Quellen” der EWS
- http://www.bfs.de/de/bfs/druck/Ufoplan/4334_KiKK_Teil1_T.pdf
- http://michiganmessenger.com/12965/cancer-questions-grow-around-fermi-nuclear-plant
Melzer EJ: Cancer questions grow around Fermi nuclear plant. The Michigan Messenger 17.02.09. - Mangano JJ: Radioactive Contamination from Vermont Yankee and Potential Risks to Local Health. Radiation and Public Health Project 2008.
Richtig ist …
Winzige Fallzahlen, fehlende oder falsche Vergleichsgruppen, Ignorieren statistischer Störfaktoren, Rosinenpickerei und Voreingenommenheit – dies sind nur die auffälligsten methodischen Mängel, die vielen dieser „Studien” von wissenschaftlicher Seite nachgewiesen wurden.
So wurde z.B. behauptet, die Zahl der Krebsfälle um ein KKW in Michigan hätte sich „dreimal so schnell erhöht wie im gesamten Bundesstaat”, um 30% statt 8% in 5 Jahren. Schaut man näher hin, so handelt es sich um ganze 8 zusätzliche Fälle statt durchschnittlicher 2,3 – verteilt über 10 Jahre. Allein die statistischen Schwankungen belaufen sich schon auf 5-6 Fälle.
Eine fachmännisch durchgeführte britische Übersichtsstudie hat die Mängel all dieser Untersuchungen entlarvt, und die Fachzeitschrift „Nature” gab 2011 allgemeine Leukämie-Entwarnung, auch für die deutschen Kernkraftwerke. Auf der Seite IX der KiKK-Studie (Quelle 2 dieses EWS-Grundes) wird übrigens darauf hingewiesen, dass die angeblichen zusätzlichen 20 Kinderleukämien, die in 23 Jahren in der Umgebung deutscher KKWs aufgetreten sein sollen, nicht durch Radioaktivität verursacht sein können.
Unsere Quellen
- Wikipedia: Demografische Daten zu Monroe County, Michigan, was Bestandteil der Studie zum dortigen Kernkraftwerk (Quelle 2 des Grundes) ist.
- U.S. NRC, Backgrounder on Radiation Protection and the “Tooth Fairy” Issue, 2004. Hier werden allgemeine methodische Mängel, wie sie auch in der Quelle 3 des Grundes zu diesem Thema auftauchen, beleuchtet. Die Extrapolationen der biologischen Wirkung zu kleinsten Dosen hin halten keiner wissenschaftlichen Prüfung stand.
- Sammlung des Nuclear Energy Institute zur biologischen Wirkung radioaktiver Strahlung: Peer-Reviewed Science on Radiation Health Effects Dispels ‘Tooth Fairy Project’, 2010. Hier wird Quelle 3 des Grundes #2 widerlegt.
- KIKK-Studie des BfS. Die Zusammenfassung dieser Studie gibt die Ergebnisse derselben nicht korrekt wieder. Der COMARE-Report widerlegt die gesamte Studie. Auf Fehlerquellen der Studie wird in der Zusammenfassung nicht hingewiesen, außerdem wird die geringe Strahlungsintensität der Kernkraftwerke als Ursache ausgeschlossen (S. IX).
- 14th COMARE Report, paragraph 4.2 über die KiKK-Studie und paragraph 8.38, Risiko um Wiederaufarbeitungsanlagen. Die Leukämiehäufungen sind nicht mit der Anwesenheit von kerntechnischen Anlagen korreliert.
- Nature-Meldung zu Kinderkrebsstudien 2011
- J. F. Bithell, M. F. G. Murphy, C. A. Stiller, E. Toumpakari, T. Vincent and R. Wakeford, „Leukaemia in young children in the vicinity of British nuclear power plants: a case–control study“, British Journal of Cancer, 12. September 2013. In Großbritannien sind keinerlei Risikoerhöhungen, an Leukämie in der Nähe von Kernkraftwerken zu erkranken, festzustellen, obwohl die Stichprobe deutlich größer ist als in der KiKK-Studie.
- B. D. Spycher et al., „Childhood cancer and nuclear power plants in Switzerland: a census-based cohort study“, International Journal of Epidemiology 2011;1–14. Außerhalb der statistischen Schwankungen sind weder Leukämie- noch allgemeine Krebshäufungen an Schweizer Kernkraftwerken zu erkennen.
Zu diesem Thema möchte ich nur lapidar anmerken: wir wissen es einfach nicht genau… Durch die (Gott sei Dank) insgesamt nicht hohen Fallzahlen von Kinder-Krebs und die Unmöglichkeit einen Krebsfall sicher auf eine Ursache festzulegen, ist der Beweis für einen ursächlichen Zusammenhang unglaublich schwierig zu erstellen.
Im Übrigen ist angesichts des statistischen Rauschens dann aber auch nicht zu argumentieren, dass die Freisetzung von Radioaktivität um kerntechnische Anlagen für Kinder vollkommen ungefährlich sei. Der endgültige Beweis kann m.E. momentan durch die geringe Beobachtungs-Zeitspanne nicht erbracht werden.
Vielleicht wird man in 200 Jahren schlauer sein.
Die jährliche Strahlenbelastung in der Umgebung von Kernkraftwerken beträgt ca. der Dosis durch eine Bananenmahlzeit. Muss ich jetzt schlussfolgern, dass ich meinen (bislang hypothetischen) Kindern keine Bananen geben darf, oder sollte ich vielmehr besser 200 Jahre warten, bis das Krebsrisiko durch Bananenverzehr besser eingeschätzt werden kann? 😉
https://xkcd.com/radiation/