#25: Erdbebengefahr

Behauptung: Atomkraftwerke sind nicht ausreichend gegen Erdbeben geschützt.

Die EWS behaupten (Originalgrund)

Fessenheim bei Freiburg, Philippsburg bei Karlsruhe und Biblis bei Darmstadt – alle drei Atomkraftwerke stehen im Oberrheingraben, der seismisch aktivsten Zone Deutschlands. Trotzdem sind sie wie alle Reaktoren in Deutschland;nur leicht gegen Erdbeben gesichert.

Das Atomkraftwerk Fessenheim etwa würde ein Beben, wie es 1356 die Stadt Basel zerstörte, nur überstehen, wenn das Epizentrum mindestens 30 Kilometer entfernt wäre. Ob sich die Kräfte im Untergrund daran wohl halten?

Das Atomkraftwerk Biblis ist nur gegen Erdbeschleunigungen von 1,5 m/s2 ausgelegt. Seismologen erwarten zwischen Mannheim und Darmstadt allerdings deutlich stärkere Stöße. Und im kalkigen Untergrund des AKW Neckarwestheim wäscht das Grundwasser Jahr für Jahr bis zu 1.000 Kubikmeter neue Hohlräume aus.

„Weiterführende Informationen” der EWS

Richtig ist …

Auch ein Vielfaches der 1,5 m/s2 ist technisch kein Problem, wie japanische Reaktoren zeigen. Da derartige seismische Beschleunigungen an einem in Deutschland stehenden Kernkraftwerk statistisch aber nur alle 100.000 Jahre zu erwarten sind, ist eine höhere Auslegung nicht sinnvoll. Diesbezüglich hat sich sogar die EU-Kommission in ihrem letzten Stresstest geirrt, die offenkundig sämtliche Berichte deutscher Behörden und Betreiber zur Erdbebensicherheit nicht richtig gelesen hatte. Die seismischen Messinstrumente und Standsicherheiten gegen das oben genannte Bemessungserdbeben sind natürlich vorhanden sowie vorgeschrieben. Zum Vergleich, Notfalleinrichtungen wie Krankenhäuser sind auf seismische Aktivitäten ausgelegt, wie sie alle 500 Jahre auftreten. In diesen Einrichtungen sind dann Opfer garantiert, nicht aber bei Kernkraftwerken.

Außerdem gibt es eine große Sicherheitsmarge, so dass deutsche KKWs vermutlich auch die doppelte Erschütterung schadlos überstehen. Und auch hier gilt natürlich: Ein Schadensfall bedeutet noch lange keine Kernschmelze, und eine Kernschmelze noch lange keine nennenswerten Kontaminationen bei der Bevölkerung.

Quelle 3 von #25 beschreibt sogar die Gegenmaßnahmen, um den Kühlturm vom Kernkraftwerk Neckarwestheim zu stützen – selbst wenn dieser einfiele, wäre man weit entfernt von schweren Störfällen, da über den Neckar direkt gekühlt werden kann. Die möglichen Verwerfungen werden also kontrolliert, das ist schon im wirtschaftlichen Interesse des Betreibers notwendig. Quelle 4 dagegen suggeriert sogar direkte Einsturzgefahren am Kernkraftwerk – weil in 4 Kilometer Entfernung ein kleiner Einbruch stattfand. Auch Bewertungsinitiativen des Landtags Baden-Württemberg ergaben keine neuen direkten Gefahren, die vom Kernkraftwerk ausgehen könnten.

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2 Antworten zu #25: Erdbebengefahr

  1. Daniel G. sagt:

    Auch, wenn sich seit 1979 viel getan, nur so viel zum Thema „KKW-Betreiben können eigentlich kein Interesse an einem Desaster haben“: Wenn man dieser Argumenatation folgt, hätte es auf Three Mile Island nie zur Kernschmelze kommen dürfen. Warum ist es trotzdem passiert? Weil Operateure nicht ausreichend gut ausgebildet waren, NRC-interne Berichte nicht weiter gegeben wurden (Das klemmende Entlastungsventil, das den Unfall mitauslöste, klemmte bereits 1977 in der Anlage Davis Besse) und weil weder bei der NRC, noch bei den Betreibern, noch beim Wartpersonal die Möglichkeit in Erwägung gezogen wurde, dass es eine Kernschmelze überhaupt geben könnte. Der Kemeny-Bericht, der von einer von Präsident Carter berufenen Kommission erstellt wurde, zeigt eindrucksvoll, dass die Beteiligten es sich nur schwer vorstellen konnten, dass ein Kernschaden eintreten könnte. Das war bei den Operateuren selbst dann noch der Fall, als eindeutige Indizien während des Unfalls dafür sprachen (massiv erhöhte Strahlenwerte im Containment, hoher Wasserstand im Reaktorsumpf, erhöhte Temperaturen, etc.)
    Man muss also nicht einmal Böswilligkeit unterstellen. Die Gründe für solche Unfälle, das hat TMI exemplarisch gezeigt, sind vielseitig und nicht immer logisch und absehbar.

    Ebenso hätte im Übrigen auch Fukushima nicht passieren dürfen, denn es hätte im ureigensten Interesse des Betreibers liegen müssen, den Tsunami-Schutz ausreichend zu gestalten. Es kam aber bekanntlich anders. Ich sage in aller Deutlichkeit, dass die meisten Unfälle tatsächlich vermeidbar gewesen wären. Das würde aber voraussetzen, dass die Verantwirtlichen mit Allwissenheit gesegnet sind.
    Japan ist hierbei jedoch ein besonders tragisches Beispiel, denn die Überflutung der Anlage hätte wirklich ohne komplizierte Maßnahmen verhindert werden könnne. Gerade in Japan, das von Atombomben geschunden sowieso eine sensible Beziehung zu Kernenergie haben sollte und einem Land, in dem Erdbeben und Tsunamis ein fester Bestandteil des Alltags sind, ist es eine Schande, dass nicht alles technisch Machbare gemacht wurde.

  2. Johnny Doepp sagt:

    Man tut ja geradezu so, als ob man die Gegenden, wo KKWs gebaut werden, gar nicht kennen würde – es also nicht schon seit Jahrhunderten dort Einheimishe gibt. Würde man das eigene Einfamilienhaus auf solch einen Grund bauen? Wohl kaum. Selbst wenn man also keine Erfahrungswerte hat, heschieht eine Baugrunduntersuchung – sogar lange bevor mit irgendeinem Bau eines KKW begonnen wird. Wie woanders schon mal erwähnt: KKW-Betreiben können eigentlich kein Interesse an einem Desaster haben. Und die Baugrunderforschung zu geschehen hat, ist tatsächlich beim KTA nachzulesen, was allerdings auf ältere NUREG-Publikationen zurückgeht. Älter heißt aber nicht unaktueller. In den USA sind standortspezifische Auswahlkriterien großenteils kritischer als in Deutschland.

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