#13: Emissionen

Behauptung: Atomkraftwerke geben über den Schornstein und ins Wasser radioaktive Stoffe ab.

Die EWS behaupten (Originalgrund)

Jedes Atomkraftwerk hat einen Abluftkamin und ein Abwasserrohr: für radioaktive Stoffe wie Tritium, Kohlenstoff, Strontium, Jod, Cäsium, Plutonium, Krypton, Argon und Xenon. Sie verteilen sich in der Luft, landen in Wasser und Boden. Sie lagern sich ab, reichern sich an, werden von Organismen aufgenommen, zum Teil sogar in Körperzellen eingebaut. Dort können sie besonders gut Krebs auslösen und das Erbgut schädigen.

Die Abgabe strahlender Stoffe über Abluft und Abwasser ist von den Behörden genehmigt. Üblicherweise erlaubt sind rund eine Billiarde Becquerel radioaktive Edelgase und Kohlenstoff, 50 Billionen Becquerel Tritium, 30 Milliarden Becquerel radioaktive Schwebstoffe und circa 10 Milliarden Becquerel radioaktives Jod-131. Pro Jahr und Atomkraftwerk natürlich.

„Weiterführende Informationen” der EWS

Richtig ist …

Milliarde, Billionen, Billiarden – das klingt gewaltig. Becquerel ist aber eine atomare Einheit, und nur ein Gramm Materie enthält schon eine Quadrillion Atome. Ein Daueraufenthalt von 3 Tagen direkt auf dem Abluftkamin eines Kernkraftwerks birgt das gleiche Gesundheitsrisiko wie die Dioxinbelastung, die bei einer Grillparty entsteht, Ruß- und Schwebeteilchen vom Grill noch gar nicht berücksichtigt. Man müsste sich jetzt mal fragen, wieviele Grills im Sommer gleichzeitg laufen.

Um das Risikio abschätzen zu können, muss man die Emissionen mit der natürlichen Radioaktivität vergleichen. Die steckt bekanntlich überall, im Gestein, in den Hauswänden, in der Luft, in der Nahrung und sogar im Menschen. Dass dies in irgendeiner Weise gesundheitsschädlich sei, ist ein meistens auf Unwissen basierender Irrglaube, sonst wären die Menschen im Schwarzwald erheblich häufiger krank als z.B. in Berlin, wo die natürliche Radioaktivität nur halb so groß ist. Noch unsinniger ist es aber, zu behaupten, eine Erhöhung um 1 Promille des natürlichen Untergrundes, wie sie Kernkraftwerke durch ihre Emissionen maximal verursachen können, hätte auch nur die geringste Auswirkung auf Mensch und Tier.

Radioaktivität kann Krebs verursachen, dazu müssten die Mengen aber zig-millionenfach höher sein. Und selbst dann hat man nur ein „erhöhtes Risiko”, aber keine Gewissheit.

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4 Antworten zu #13: Emissionen

  1. Doktor Mabuse (Fantasiename) sagt:

    Vorweg: Gut, dass es auch eine Pro-Kernkraft-Site wie diese hier gibt und man sich die Argumente „der anderen Seite“ anschauen kann, die sich der kritischen Diskussion stellen. Ich halte sie sogar für einigermaßen objektiv, da tatsächliche Probleme nicht absichtlich völlig verleugnet werden. Beispiel: Hier – http://100-gute-antworten.de/hga-034/ – geben Sie zu, dass Vorschriften nicht eingehalten wurden und bestreiten auch nicht, dass deshalb zumindest im schlimmsten Fall statt einer Verhinderung weiterer Kernspaltung bei einer Notabschaltung diese noch gesteigert werden kann.
    Im Grunde habe ich bis Fukushima selber so wie hier argumentiert und ein noch nicht gelöstes Problem im Wesentlichen in der Endlagerung des Atommülls gesehen. Die Diskrepanz besteht allerdings darin, dass Fukushima für mich beweist, dass Kernenergie eben doch letztendlich leider nicht beherrschbar ist. Sie vertreten hier nach wie vor die Auffassung, dass selbst bei einer Kernschmelze das Containment dieselbe noch aufhält und eine signifikaten Abgabe radioaktiver Stoffe verhindert. Das sehe ich in Japan leider nicht, es ist unklar, wo die Reaktorkerne geblieben sind und der Boden um das Kraftwerk wird vereist, um radioaktive Grundwasserströme aufzuhalten.
    Trotzdem sei Ihnen ihre Sicht der Dinge in einer freiheitlichen Demokratie natürlich gegönnt. Und ich will nicht ausschließen, dass Radioaktivität „nur“ durch das gebrochene Containment austritt, die geschmolzenen Brennstäbe sich formal noch irgendwo dort befinden.

    Nach dieser eher allgemeinen Vorrede zum konkreten Thema hier: Die Spaltgase in den Brennstäben, die im KKW bei störungsfreiem Betrieb in den Brennstäben bleiben, werden spätestens bei der Aufarbeitung frei. Das Problem besteht also nicht oder nur in geringstem Maße im Kraftwerk, wird jedoch leider nur verlagert. Als Beleg eine ARTE-Reportage: https://youtu.be/XEr9Sk9BGIY?t=3m31s
    Ich bin ausdrücklich gespannt auf ihre Sicht der Dinge und würde mich sogar freuen, wenn nicht nur im KKW meiner Nachbarschaft nun die Borkonzentration in den Notflutbehältern in Ordnung ist, sondern auch die Abluft von La Hague weniger kritisch ist als bei ARTE darstellt oder sich die Situation durch technische Lösungen deutlich verbessert hat.
    In jedem Fall sollten wir miteinander reden und sachliche Argumente austauschen. Das Sie dies versuchen rechne ich Ihnen, den Betreibern dieser Site, wie gesagt ausdrücklich hoch an.

    • FHerrmann sagt:

      Lieber Dr. Mabuse,

      viele Dank für Ihr Lob! 🙂

      Es ist ja selten, dass wir von Kernkraftgegnern positives, freundliches Feedback bekommen, darüber freue ich mich sehr.

      Ich stimme Ihnen zu, dass man aus Fukushima etwas lernen kann. Für mich ist die Schlussfolgerung allerdings nicht: „Kernkraft ist nicht beherrschbar“ — denn das ist meines Erachtens nach im Fall der Fälle keine einzige Technologie, weder Staudamm noch Chemiefabrik noch PKW noch Flugzeug oder Eisenbahnzug (sie können alle mit katastrophalem Resultat verunglücken; dennoch bringt ihre Nutzung der Menschheit im Zeitmittel mehr Vorteile als Nachteile) — sondern vielmehr: „Konfuzianische Philosophie tut einer Gesellschaft nicht gut“. Die japanische Sozialordnung, die das Kritisieren Vorgesetzter verbietet und den Menschen zur perfekt funktionierenden, unterwürfigen Leistungsmaschine zu drillen sucht, trug nicht nur wesentlich zum Reaktorunfall bei; sie kostet darüber hinaus jährlich zahlreichen Menschen das Leben: Schülern durch Selbstmord, Geschäftsleuten durch Herzschlag („Karo-Shi“ = Tod durch Arbeit).

      Die Japaner sollten meinen Überlegungen zufolge nicht aus der Kernkraft, sondern aus dem Konfuzianismus aussteigen. In dichtbesiedelten Gegenden, wie die japanische Hauptinsel Honshu es ist, entscheidet man sich bei der Wahl der Energiequellen letztlich zwingend zwischen fossiler Energie und Kernkraft. Den Zusammenhang zwischen Bevölkerungsdichte und Technologie hat Prof. David MacKay sehr anschaulich in seinen Vorträgen dargestellt: https://www.youtube.com/watch?v=-5bVbfWuq-Q

      Interessant in diesem Kontext auch ein Flächenvergleich zwischen der Exklusionszone rund um Fukushima und einem leistungsäquivalenten Solarkraftwerk: https://twitter.com/NukeSqrrrl/status/840736825253740544 (Um wie ein Wärmekraftwerk Regelenergie zu liefern, muss ein Solarpark mit Energiespeichern ausgestattet werden, die gezeigte Fläche stellt daher nur eine untere Grenze dar.)

      Wo ich Ihnen hingegen zustimme: PUREX-Aufarbeitung hat keine Zukunft! Sie ist viel zu ineffizient, teuer, unpräzise (d.h. kann nicht elementrein trennen!) und erzeugt viel zusätzlichen Giftmüll. Die freigesetzten Gase dürften im Vergleich mit der natürlichen Radioaktivität nicht so ins Gewicht fallen; dennoch ist chemische Aufarbeitung in wässriger Lösung kein geeignetes Verfahren, um die Ausnutzung von Kernbrennstoffen entscheidend zu steigern.

      Damit wir das Zeitalter der fossilen Kohlenwasserstoffe hinter uns lassen können, werden vielmehr neue kerntechnische Apparate benötigt, die die vollständige Nutzung *sämtlicher* Aktinide (Natururan, abgereichertes Uran, Plutonium, Atommüll, Thorium, etc.) ermöglichen. Dies impliziert zum einen Reaktoren mit schnellem Neutronenspektrum, zum anderen — fast noch wichtiger — hochpräzise Aufarbeitungsanlagen, die, im Gegensatz zu PUREX, im laufenden Betrieb ständig die Entnahme von Spaltprodukten und Zugabe von Aktiniden in den Reaktorkreislauf erlauben. Diese Maschinen, die man pyrochemische Prozessanlagen nennt, sind nicht Science Fiction, sondern beruhen auf Systemen, die u.a. in der Erz- und Erdölindustrie heute schon etabliert sind und lediglich zur nuklearen Nutzung modifiziert werden müssten. Solcherart wäre elementreine Trennung der Abfälle möglich, wobei alle Materialströme stets unter Kontrolle stehen und keine Substanzen in die Umgebung gelangen. Dadurch ließe sich nicht nur ein neues Energiezeitalter einläuten, sondern es würde auch die Medizin revolutioniert werden: Jedes Kraftwerk könnte dann in großer Menge medizinische Isotope liefern, für deren Herstellung heutzutage teure Spezialanlagen nötig sind.

      Mehr Info zu solchen Technologien finden Sie z. B. hier: http://festkoerper-kernphysik.de/dfr.pdf

      Viele Grüße,
      Fabian Herrmann

      • Doktor Mabuse (Fantasiename) sagt:

        Ich danke für die wirklich sehr interessante Antwort.
        Und erlaube mir die erstaunte Feststellung, dass Sie die aktuelle Art und Weise Kernenergie zu nutzen also ebenfalls nicht völlig unkritisch sehen. 😉

  2. Johnny Doepp sagt:

    Plutonium? Wie soll das in den Abluftkamin kommen? Dazu müsste es schon ernsthafte Schäden an den Brennstäben geben UND Plutonium müsste sich irgendwie an ein Aerosol binden bzw. in eine molekulare Verbindung gelangen, die leicht flüchtig oder schon gasförmig ist. Der reine Plutonium-Dampfdruck bzw. der des Plutoniumoxides wirkt sich erst bei sehr hohen Temperaturen aus, die aber in thermischen Leichtwasserreaktoren, die gegenwärtig in Betrieb sind, gar nicht erreicht werden können – außer in schweren Havariefällen. Dann allerdings sind unsere Sorgen wirklich andere.
    Aber ich versteh gar nicht die Diskussion. Man tut ja geradezu als ob alle Spaltproduktgase direkt durch den Kamin nach draußen geblasen werden. Dem ist mitnichten so. Der überragend größte Teil verbleibt im Brennstoff, d.h. im Brennstab. Betriebsbedingt kommt es gelegendlich zu Rissen in der Brennstabsummantelung EINIGER WENIGER Brennstäbe. Dann wird ETWAS des Spaltgases frei – größtenteils wirklich nur Xenon und Krypton, weil diese als Edelgase nicht gut im Brennstoffpellet gebunden werden können. Aber auch diese gehen nicht einfach per Ventilation durch den Kamin in die Umwelt. Davor gibt es eine ganze Reihe Filteranlagen die so ausgelegt sind, dass die radioaktiven Stoffe lange genug dort verweilen, bis der Großteil von ihnen zerfallen ist. Der Rest geht dann tatsächlich in die Umwelt, repräsentiert aber nur Bruchteile an Menge der natürlichen Strahlenbelastung. Außerdem werden diese durch Wind und Diffusion noch weiter verdünnt. Die Messung/Rechnung möchte ich gern mal sehen, die auf den Einzelnen (in der Bevölkerung oder, wenn es deutlicher ist, vom Betriebspersonal des KKW) gerechnet eine signifikante Krebsrisikoerhöhung andeutet!

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